Mit Resident Evil Village erzählt Capcom die Geschichte aus dem siebten Teil fort und setzt erneut auf den Horror aus der Ego-Perspektive – lag die Messlatte zu hoch?
Einleitung
Ich muss an dieser Stelle offen zugeben, dass auch ich mich nach der Ankündigung von Village sehr stark hab hypen lassen und konnte den Release kaum abwarten, aber trotz allem: VORBESTELLT WIRD NICHTS! Merkt euch das! Ich habe mir das Spiel am Releasetag über Steam Argentinien für ca. 30€ gekauft. Diese Info bezüglich dem Preis werde ich später im Beitrag erläutern.
Story
Die Geschichte von Village spielt drei Jahre nach den Ereignissen aus dem siebten Teil. Ethan Winters kehrt als Protagonist zurück, seine Frau Mia und die sechs Monate alte Tochter Rosemary leben in Europa und werden in einer Nacht unerwartet von Chris Redfield überfallen. Seine Frau wird kaltblütig vor seinen Augen ermordet und danach fehlt jede Spur von Rose. Ethan wacht einige Zeit später auf dem Boden neben einem Transporter auf, welches einen schweren Unfall gehabt zu haben scheint. Ab hier beginnt der Wahnsinn seinen Lauf zu nehmen…
Gameplay
Vorab: Ich habe das Spiel direkt zu Beginn im Schwierigkeitsgrad „Veteran“ gespielt. Daneben gibt es zwei weitere Optionen „Leicht“ und „Normal“.
Resident Evil Village hat die Ego-Perspektive aus dem letzten Teil logischerweise übernommen und auch sonst merkt man als Spieler, dass diverse sinnvolle Stellschrauben gedreht wurden, ohne die Mechanik grundlegend neu zu erfinden. Während unserer Suche nach Rose finden wir diverse Waffen, erbeuten Munition und sonstige Schätze aus Häusern und Kisten. Daneben lösen wir Rätsel und finden ggf. sinnvolle Upgrades für unsere Waffen. Dabei bleibt der Schwierigkeitsgrad für die Rätsel auf einem durchschnittlichen Tomb-Raider Level, passt sich jedoch glaubhaft an den Rest der Spielewelt an.
Das Inventar-System wurde zum Teil übernommen, aber etwas aufgepimpt. Es ist etwas übersichtlicher geworden und wir haben nun die Möglichkeit durch einen Filter unsere gewünschten Gegenstände anzeigen zu lassen. Im direkten Vergleich ist das Inventar deutlich gewachsen und bietet gerade im Veteranen-Modus die benötigten Möglichkeiten für das Inventarmanagement.
Das Hauptaugenmerk eines jeden Resident Evil Teils dürften selbstverständlich die Gegner sein. Hier erwarten uns im Verlauf des Spiels sehr viele unterschiedliche Gegnertypen, die durch ihre Bewegungs- und Angriffsmuster für eine sehr breite Vielfalt sorgen. Das Gegnerdesign ist Capcom sehr gut gelungen, denn die Bedrohung durch Gegenwart der Gegner wird uns als Spieler optisch und akustisch sehr gut vermittelt.
Wie auch in Resident Evil 7: Biohazard wurde für die grafische Entwicklung die RE Engine verwendet. Um es in wenigen Worten auf den Punkt zu bringen: Resident Evil Village sieht fantastisch aus, wenn ihr eine Grafikkarte habt, die die Leistung auch stemmen kann.
Was hat mir besonders gut an Resident Evil Village gefallen?
Ich gehe mal einen etwas ungewöhnlichen Weg und fange mit einem Kriterium an, welches in meinen Augen zu oft, zu stiefmütterlich behandelt wird: Der Sound. Wir laufen alleine durch die engen Gassen der kleinen Ortschaft. Plötzlich raschelt es in einem Busch. Ein paar Meter weiter in einer Scheune sehen wir uns um, als plötzlich ein Knarren am Dachträger uns das Blut in den Adern kurz einfrieren lässt. Ich möchte an dieser Stelle ein Wort zum Gruselfaktor von Village verlieren. Das Spiel mag sicher kein Kaliber eines Visage, Amnesia (erster Teil) oder Outlast sein, aber ich kann euch versprechen, dass zumindest in einem Kapitel dieser Psycho Horror unfassbar gut implementiert ist. Und, vor allem, in diesen Passagen passt das Sounddesign wie der Deckel zum Topf.
Ich hatte es oben bereits erwähnt, aber ich tue es gerne nochmal. Die Grafikengine sieht fantastisch aus und bringt diese düstere Stimmung vom scheinbar verlassenen Dorf hervorragend an den Spieler. Es gibt hier und da die Matschtexturen an den Wänden, aber das fällt im eher aufgeheizten Spielverlauf selten auf.
Ebenso erfreulich ist die Release-Version von Village, denn ich hatte im gesamten Spielverlauf keinen einzigen Absturz oder Fehler, die mir ins Auge gesprungen wären. Hier wurde eine sehr saubere PC-Version erstellt, dafür ein großes Danke und Lob.
Während dem Spielverlauf begegnen wir sehr vielen unterschiedlichen Gegnertypen mit ganz individuellen Eigenschaften. Das ist mir in meiner Spielzeit von ca. 11 Stunden sehr stark aufgefallen und mich ständig neugierig gestimmt. Durch dieses Merkmal bleibt Village sehr facettenreich und wird zu keiner Zeit langweilig.
Was hat mir an Resident Evil Village nicht so gut gefallen?
Meine Messlatte für Village war erstmal ganz klar der Vorgänger und ich habe sehr oft die Vergleiche gezogen, um festzustellen, wo der neue Teil besser oder schlechter performt. An einigen Stellen hat mich das Resident Evil Fieber wirklich ordentlich gepackt, aber es gab auch einige Schattenseiten, die ich leider nicht einfach so unter den Teppich kehren kann. Ich hole etwas weiter aus…
Die Entwicklung eines Resident Evil in die Ego-Shooter Perspektive habe ich in Teil 7 mit sehr skeptischen Augen betrachtet. Mir ist schon bewusst, dass man der heutigen Spielerschaft eine Kameraperspektive wie in den ersten Teilen nicht mehr anbieten kann – zu groß ist der Teil der Fortnite und Warzone Spieler und die müssen abgeholt werden. Das ist erstmal gar nicht schlimm und wurde auch objektiv betrachtet in Teil 7 sehr gut umgesetzt. Bei Biohazard hatten wir teilweise dieses beklemmende Gefühl der Verzweiflung, die sich in Angst umgeschlagen hat. Das war genau das Gefühl, was man aus den alten Resident Evil Teilen vermittelt bekommen hat.
Village nimmt sich manchmal zu ernst und versucht in vielen Passagen ein „guter“ Shooter mit Horror-Elementen zu werden – diese Entwicklung finde ich persönlich bedenklich, aber vielleicht stehe ich mit der Meinung auch alleine da. Das Movement unseres Charakters ist für einen 1st person shooter oft zu schwammig, als würden wir durch seichtes Gewässer waten. Insgesamt wird in Village einfach sehr viel geballert und vielleicht lässt das die Stimmen laut werden, die meinen, dass der Gruselfaktor deutlich darunter gelitten hat. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass ich mich in einer Call of Duty Kampagne mit seinen Schlauchleveln befinde, als in einem klassischen Resident Evil Horrorspiel.
Kommen wir zur Story. Wir wissen aus der Vergangenheit, dass die Story in Resident Evil eigentlich nie ein Alleinstellungsmerkmal oder eine epische Form verfolgt hat. Die Story gehört zum Spiel, bleibt aber durchweg ziemlich flach. Auch die Charaktere – warum hat man hier aus den teilweise fantastischen Charakteren nicht mehr rausgeholt? Wir bekommen das Essen auf dem Silbertablett, dürfen aber nichts davon probieren. Hier hätte ich mir einen deutlich tieferen Einblick in die Welt und Motivation der einzelnen Charaktere gewünscht.
In der PC Version fehlte leider auch ein FoV-Slider, der das Spiel in vielen Abschnitten zu beklemmt spielbar gemacht hätte. An meinem 32 Zoll WQHD Monitor habe ich es gerade mal eine Stunde ausgehalten, bevor ich mir durch eine Mod ausgeholfen habe. Warum kann der Entwickler selbst nicht dem Spieler anbieten, dass er es sich aussuchen darf? Auch hier gibt es mindestens einen Minuspunkt.
Jetzt komme ich zu meinem persönlichen „Wertungskiller“, dem letzten Drittel / Viertel des Spiels. Ich möchte nicht spoilern, deshalb versuche ich mich sehr oberflächlich zu halten. Die Rätsel in Village sind auf einem maximal durchschnittlichen Niveau und stehen weit hinter den teils kniffligen Aufgaben in Teil 7 zurück. Aber hier scheinen den Entwicklern so ab der Hälfte die Ideen ausgegangen zu sein.
Das letzte Viertel, mit einem relativ großen Umfang von ca. 4 Stunden, will nicht so richtig in das Gesamtbild passen und präsentiert teils langatmige und frustrierende Abschnitte. Mir ging in diesem Teil deutlich die Puste aus und normal bin ich jemand, der sich immer für irgendwas motivieren kann. Es kamen dann doch oft die „warum soll ich da jetzt hin und das machen???“ Fragen auf und die Gegner wurden irgendwann sehr sehr lästig. Ich hatte sogar speziell zum Ende noch das stärkere Gefühl, dass Resident Evil zu einem Addon von Call of Duty mutiert. Ballern mit Sniper, Granatwerfer, Schrotze, Bomben werfen, Minen legen. Klingt nicht wirklich nach einem Horrorspiel oder?
Fazit
Resident Evil Village führt die Schritte, die es geht, korrekt aus, läuft aber selbst am Ende in einer Schlangenlinie und weiß eigentlich nicht so recht, wohin es will. Möchte es ein Horrorspiel oder ein guter Action Shooter werden? Wenn es beides in Kombination gut lösen wollte, ist es mit dem achten Teil der Serie leider nicht gelungen. Das Spiel hat ein fantastisches und düsteres Setting, wird mit einem exzellenten Sound untermalt und auch die verschiedenen Monster lehren uns oft das Fürchten, aber leider hatte man nicht den Mut, den sehr starken ersten Auftritt des Spiels bis hin zum Finale aufrecht zu erhalten. Im letzten Abschnitt fühlt sich das Leben in Village langatmig und nervig an, das hätte man vielleicht komplett weglassen sollen? Aber dann wären wahrscheinlich die kritischen Stimme bezüglich der geringen Spielzeit noch stärker ins Gewicht gefallen. Für 60€ hätte ich mir das Spiel wahrscheinlich eher nicht gekauft.
Motivationskurve
Wir starten mit einer sehr ordentlichen Motivation von 90 Punkten und bis zur 6 Stunden Marke kann sich das hohe Level durchgehend halten. Danach kommt ein sehr markanter Knick in der Kurve, der das letzte Viertel sehr gut optisch beschreibt. Das Spiel zieht sich künstlich in die Länge, die Shooter-Elemente werden forciert und von Horror ist am Ende keine Spur mehr zu erkennen. Interessante Side-Notes: Auch in Teil 7 habe ich vor allem das Geballer kurz vor dem Ende stark kritisiert und in meine Wertung einfließen lassen – bei Village war der Fokus am Schluss jedoch stärker ausgeprägt, weshalb ich hier mit den Motivationspunkte deutlich stärker abstrafe. Am Ende sind es für manche Spieler enttäuschende, aber trotz allem solide 79 Punkte in der Endwertung.
Bewertung - 79%
79%
Für Resident Evil Fans ein Muss. Die Wurzeln der Reihe sind klar erkennbar mit einem faden Beigeschmack und der Angst, dass sich das Franchise in der Fortsetzung in einen Action-Shooter verwandeln kann.