Über 20 Jahre hat sich Capcom Zeit gelassen ein wahres Urgestein des Horror-Genre Vertreters neu anzufassen und ein Remake zu veröffentlichen. Als Kinder der 90er bin ich quasi mit diesen Spielen aufgewachsen und habe natürlich eine ganz besondere Einstellung und Erwartungshaltung. Für den Test habe ich jedoch die rosa Brille abgelegt und objektiv betrachtet, ob ein „altes“ Spiel im Kern, welches kurz vor Millenium erschien, heute noch „alte“ Spieler und die neue Generation begeistern kann.
Story
Resident Evil 2 ist der direkte Nachfolger des Klassikers Resident Evil, in dem Ihr mit einer Spezial-Einheit des Raccoon City Police Departments, den S.T.A.R.S (Special Tactics and Rescue Squad), in einem viktorianischen Herrenhaus Zuflucht von den Zombies sucht und gegen entstellte Gegner und andere Monster ums Überleben kämpft. Die Ereignisse von Resident Evil 2 spielen sich nur wenige Tage nach den Geschehnissen des ersten Teils ab. Hauptschauplatz ist das fiktive Kleinstädtchen Raccoon City, welches mit dem T-Virus infiziert wurde und dadurch die Bewohner in blutrünstige Zombies verwandelt. Verantwortlich für den Ausbruch des T-Virus, ist der nahegelegene Biowaffen-Hersteller Umbrella Corporation.
Grafik & Sound
Den größten WoW-Effekt hatte ich bei der grafischen Darstellung des Remakes. Capcom hat sich bei der Umsetzung, und das war sicher die beste Entscheidung, für die Kameraperspektive aus den Teilen 4 und später festgelegt. Wir sehen unsere Protagonisten aus einer leicht angezoomten Third Person über der Schulter und das verleiht dem damals schon sehr gruseligen zweiten Teil einen besonderen Kick und macht das Spiel für mich zusammen mit dem siebten Teil zum schaurigsten Resident Evil Teil. Die RE-Engine aus dem siebten Teil tut auch dem Remake sehr gut und so verabschieden wir uns von den sequenzierten Grafikabschnitten des 1998 Spiels. Grafikbugs habe ich nur wenige festgestellt, wie zum Beispiel, dass gelegentlich die Zombie-Körperteile durch Wände oder Türen glitchen. Ansonsten hatte ich aber auf dem PC keinen einzigen Absturz oder ähnliche Probleme.
Auch das Thema Akustik hat sich Capcom zu Herzen genommen, aber das heißt nicht, dass das Spiel anno 98′ da wesentlich schlechter abgeschnitten hätte. Ich kann mich damals noch dunkel an die Kritiken erinnern, die dem Spiel seinerzeit mit eines der besten Sounddesigns in einem Horror-Spiel zugeschrieben haben und das kann man nach über 20 Jahren einfach nur wieder bestätigen. Ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass sich Capcom hier definitiv übertroffen hat. Mit Kopfhörern im abgedunkelten Raum lässt das kleinste Windrauschen oder Papierrascheln im Spiel einen eiskalten Schauder über den Rücken laufen – einfach auf den Punkt gebracht.
Gameplay
Die neue Sicht auf den Charakter hat natürlich auch Auswirkungen auf das Gameplay. So spielt sich das Remake deutlich actionlastiger. Als Eingabegerät habe ich mich klar für Maus + Tastatur entschieden, da ich leider mit dem Gamepad überhaupt nicht klargekommen bin und ständig daneben gezielt habe. Das Spiel bietet zwar auch eine „casual“ Variante an, bei dem das Fadenkreuz auf Gegner springt und verfolgt, aber für mich persönlich ist das soft cheating und kam daher nicht in Frage.
Über die gesamte Spielwelt sammeln wir während des Spielverlaufs Quest-Gegenstände, Items und Waffen ein und als Sammelstelle dient uns das Inventar, einer der Schwächen von Resident Evil 2 in meinen Augen. Fakt ist, es ist übersichtlich und funktional, manchmal aber auch wirklich sehr fummelig. Eine Funktion, über die ich mich im Remake gefreut hätte: Eine Möglichkeit Inventargegenstände kurzzeitig abzulegen und wieder aufzunehmen. Es kommt im Spiel mit dem knappen Inventar oft vor, dass man in vielen Passagen Items mitnehmen könnte, aber das Inventar leider voll ist. So ist mir oft genug passiert, dass mein Waffenmagazin leer war, Munition vor mir lag, aber mein Inventar voll war. Also ein Slot frei machen, Munition aufnehmen und nachladen, und schon ist der Platz wieder frei, aber das ursprüngliche Item ist weg. Konstruktives Feedback 🙂
Ansonsten gibt es beim Gameplay keine weltbewegenden Neuerungen. Man löst diverse Rätsel, die sich teils über die gesamte Karte (im Fall von Leon hauptsächlich in der Polizestation von Raccoon City) verteilen. Da kann es dem Spieler manchmal schwer fallen die Orientierung zu behalten. Glücklicherweise werden Orte, an denen sich wichtige Sachen befinden mit einem Ausrufezeichen auf der Karte markiert.
Hier lautet das Stichwort „Backtracking“. Zu diesem Thema gibt es sehr kontroverse Meinungen, denn das Backtracking war bereits im Grundspiel sehr deutlich ausgeprägt – also das Hin und Her über die Karte – das Remake kaschiert diese Schwäche teils gut, denn man freut sich den nächsten Schritt im Rätsel gefunden zu haben. Dennoch sollte einem klar sein, dass man viel Zeit im Kartenstudium verbringen muss, um unnötige Meter Laufweg einzusparen. Mir persönlich wurde das Backtracking erst am Ende des Spiels deutlicher und hat mich ein wenig gefrustet.
Fazit
Resident Evil 2 war für mich immer mit Abstand der beste Teil der Reihe. Umso mehr freut es mich, dass es dem Remake dieses Survival-Horror-Meisterwerks tatsächlich gelungen ist, die Stärken und den Charme des Originals in unsere „Neuzeit“ zu transferieren, dabei aber auch nicht vor der nötigen Modernisierung einiger Elemente zurück zu schrecken. Dabei schafft es der Titel, eine gute Balance zwischen Oldschool-Gameplay und den heutigen Ansprüchen zu finden. Einzig auf das Inventarmanagement und das milde Backtracking könnte ich auch verzichten, gehört aber vielleicht einfach zu solchen Titeln dazu. Auch die deutsche Synchronisation hat hier und das einige Schwächen und vermittelt den Ernst der Lage im Spiel leider nur sehr wenig. Mehr ärgern tun mich eher die etwas lahmen Bosskämpfe und auch einige Rätsel könnten gerne ein wenig spannender sein. Aber das ist Meckern auf hohem Niveau, denn dafür ist der Horror-Aspekt absolut gelungen. Ob Nostalgiker oder Neueinsteiger – wer sich gerne gruselt, MUSS Resi 2 zocken!
Motivationskurve
Betrachten wir die Motivationskurve, dann fällt uns eine sehr hohe Einstiegsmotivation auf. Dies kann man sicher mit der Nostalgiebrille begründen. Nach etwa zwei Stunden dämpft das ständige Inventarmanagement meinen Spielspaß, da ich ständig das Gefühl habe von dieser Mechanik im Spiel von der eigentlichen Aufgabe abgelenkt zu werden. Der Einbruch ist jedoch nicht weiter tragisch und so tragen die eher öden Bosskämpfe und die unterdurchschnittliche deutsche Synchro mit dem Backtracking dazu bei, dass die Kurve bei 70 Punkten ihren Abschluss findet – macht aber über die gesamte Spielzeit einen ordentlichen Schnitt von 80 Punkten.
Zusammenfassung
Bewertung - 80%
80%
Ich bin normal kein großer Freund von Remakes und finde in vielen Beispielen eine reine Gelddruckmaschine der Publisher, aber Resident Evil 2 beweist, dass mit ehrlicher Arbeit und dem Drehen richtiger Stellschrauben ein ordentliches Spielgefühl des Urgesteins in die Neuzeit transferiert werden kann. Jeder RE Fan sollte sich das Remake anschauen!