Es ist jedes Jahr, nein Moment, jedes Jahr zwei Mal das Gleiche. Rätsel für die Leser: Mitte April in Stuttgart, Bad Cannstatt, lustige Menschen mit Alkoholfahne. Und? Wo sind wir? Riiiichtig, 100 Punkte für Tom, das Frühlingsfest! Die GDL streikt natürlich wieder, die Bahnen sind überfüllt und als ob alles nicht schlimm genug wäre, ist da noch dieses Fest. Dass das cannstatter Frühlingsfest in Süddeutschland nicht ausschließlich Begeisterungsströme auslöst, erzähle ich euch aus der Sicht eines Daimler Mitarbeiters.
18Uhr, Feierabend und der Weg führt auf direktem Wege Richtung Haltestelle Neckarpark. Die Lage in Ordnung, die üblichen Zombies um einen herum, aber keine bedrohliche Belästigung. Zwei Minuten später kommen wir in Bad Cannstatt an, jetzt wird es schon um Faktor 100 ekelhafter. Die ersten Alkoholleichen steigen ein und sind völlig orientierungslos. Ich merke, mein Nebenmann hat Bier getrunken, es riecht nach zwei Maß, gefühlt sind es aber fünf. Er taumelt und erzählt davon, dass die Bahn zu voll sein und die Menschen ja wie in Indien auf dem Dach mitfahren können. Vielleicht kann er ja selber mit seinen 140kg Kampfgewicht nach oben steigen, achsooo, wäre da nicht die Schwerkraft. Ich sehe, wie er sich mit dem wankenden Zug auf und ab bewegt, er würde einen würdigen Kapitän auf dem Schiff geben, aber das ist die S-Bahn! Gut, komfortabel und Bahn fahren sind zwei Stichworte, die im Leben nie zusammenkommen werden, aber betrunken gegen die Bahn anzutreten ist tatsächlich für den armen Mann zu viel verlangt – Mensch VVS, erfindet doch mal Schlafkabinen für Betrunkene, echt ein Unding!
Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass sein Körper ermüdet und er eine Gelegenheit sucht sich irgendwo anzulehnen. Eine Frau hinter seinem Rücken scheint ein geeignetes Objekt zu sein, hm. Wäre ich Mr. Arschloch, würde ich meine Fresse halten und so tun als gäbe es nur mich auf der Welt. Tzood! Bin ich aber nicht: Ich biete ihr an die Seiten zu tauschen, sie nickt und ich strecke meinen linken Arm gegen den Haltegriff, um so eine künstliche “Barriere” zu schaffen. Die junge Frau wirkt erleichtert und bedankt sich – kein Grund sich im Heldenlicht zu sonnen, das ist selbstverständlich!
Zugegeben, die Arbeit lastet mich schon gut aus. So lustig die Story auch klingt, sie ist es ein Mal, zwei Mal und beim dritten Mal nervt es bereits auf unangenehme Weise. Nicht falsch verstehen, ich male den Teufel nicht an die Wand, wenn ich in diesem Zusammenhang das Frühlingsfest im gleichen Atemzug verwende, aber warum fällt es erwachsenen Menschen so schwer, auch unter Alkoholeinfluss vernünftig zu bleiben und keine anderen Leute zu belästigen? Leute, wenn ihr schon wie ein Loch trinkt und stinkt, als hättet ihr in Fäkalien gebadet und drei Wochen nicht geduscht, dann kommt einfach auf euer eigenes Leben klar, macht keine auffälligen Dummheiten und pöbelt keine anderen Menschen an – sie können nichts dafür und zu 100% hassen sie Euch für Euer Verhalten – so etwas brennt sich in die Köpfe ein und die Menschen merken sich euer Gesicht. Das ist ein Beispiel, wie man sich in der Gesellschaft auf einfache Weise ins Negative katapultieren kann.
In zwei Wochen bin ich selber beim Frühlingsfest und genieße mit Gleichgesinnten den Tag, trinke zwei, drei oder vier Maß und habe meinen Spaß. Ich fahre nach Hause, schlafe und erinnere mich gerne daran, was für ein geiler Abend es war – und ich bin in keinster Weise negativ aufgefallen. So geht Frühlingsfest in Cannstatt auch und macht gleich doppelt Laune. In diesem Sinne!